Sprache verbindet Kulturen
15 Jahre Sprachpartner*innen bei der AWO Düsseldorf
Text: Sina Betz, Fotos Eugen Shkolnikov
Vor rund 15 Jahren, im Frühjahr 2010, startete die AWO Düsseldorf mit einem Pilotprojekt: Sprachpartner*innen für Geflüchtete und Migrant*innen. Alle Engagierten arbeiten freiwillig und unentgeltlich – mit dem Ziel, Menschen mit Migrationsgeschichte bei ihrer Integration zu unterstützen. Viele begleiten ihre Mentees intensiv, damit diese Prüfungen bestehen, eine Arbeit finden und in der Gesellschaft ankommen können. Heute, im Jubiläumsjahr dieses Programms, hat sich aus einer Idee eine lebendige Brücke zwischen Kulturen entwickelt, die fest im Düsseldorfer Stadtbild verankert ist. Eine jener Tandem-Paarungen, die seit Jahren beispielhaft zeigen, wie Sprach- und Kulturaustausch ganz praktisch gelingen kann, ist die der zweifachen Mutter Yu Wang aus Gerresheim und ihrer Sprachpartnerin Stephanie Gurrieri aus Haan.
Ein Zufall, der Freundschaft schenkt
„Als ich 2017 zum ersten Mal das Büro in Derendorf betrat, wusste ich nicht, was mich erwartet“, erinnert sich Yu Wang. Vor einigen Jahren war sie aus dem Süden Chinas nach Düsseldorf gezogen — beruflich folgten sie und ihr Mann der Dependance seiner Firma. Was fehlte, war eine Möglichkeit, im Alltag heimisch zu werden. Bei einem Deutschkurs erfuhr sie von den AWO-Sprachpartner*innen, meldete sich an und traf dann auf Stephanie.
Stephanie, selbst studierte Sprachpädagogin und bereits seit Jahren ehrenamtlich für die AWO Düsseldorf aktiv, spürte sofort: „Hier passt es.“ Anfangs trafen sich die beiden in Cafés oder auf dem Gelände der AWO, bald luden sie sich gegenseitig ein: „Mein Zuhause in Haan, ihr Zuhause in Gerresheim – so lernten wir nicht nur Sprache, sondern auch den normalen Alltag kennen“, erzählt Stephanie.
Rituale, die verbinden
Heute, acht Jahre nach dem ersten Treffen, haben die beiden so manches Ritual entwickelt: wöchentliche Spaziergänge im Park, Ausflüge in Museen, Diskussionen über Politik und gesellschaftliche Themen. Und natürlich Kochen – mal chinesisch, mal italienisch, denn Stephanies Mann stammt aus Italien. „Vor allem wenn Yu aus China zurückkommt, probieren wir gemeinsam ihre Heimatküche. Das ist ein ganz anderer Geschmack als in chinesischen Restaurants in Düsseldorf. Einfach authentisch“, lächelt Stephanie.
Mehr als Vokabeln: Ein kultureller Tanz
„Wir haben von Anfang an auf Konversation gesetzt, nicht auf klassischen Unterricht“, ergänzt Yu. „Stattdessen sprechen wir über alles, was uns bewegt – von aktuellen Nachrichten bis zu persönlichen Träumen und Alltagssorgen.“ Bei jeder Begegnung steht der Dialog im Vordergrund: Die beiden tauschen Buchempfehlungen aus, debattieren lebhaft über Politik und Gesellschaft und lernen so weit mehr als bloß Satzbau und Grammatik. „Manchmal diskutieren wir auch völlig unverblümt“, lacht Stephanie. „Das stärkt nicht nur unsere Sprachkompetenz, sondern auch unsere Freundschaft.“
Aha-Momente im Alltag
Ein besonderes Highlight sind die gemeinsamen Museumsbesuche in Düsseldorf. Ob Kunstpalast, K20 oder Hetjens-Museum – während andere Führungen buchen, erkunden Yu und Stephanie selbstständig und gewinnen ihre ganz eigenen Einsichten. Yu erklärt fernöstliche Symbolik, Stephanie öffnet Fenster zur europäischen Kunstgeschichte, und am Ende sitzen sie im Museumscafé, vertieft in ein Gespräch, das weit über Bildbeschreibungen hinausgeht. „Mich hat sehr überrascht, dass die Läden in Deutschland sonntags geschlossen sind“, sagt Yu. „In China ist das ganz anders.“ Stephanie wiederum schätzt den unverstellten Blick auf familiäre Rituale, den sie durch Yu gewonnen hat.
Man gibt und man bekommt. Es ist keine Einbahnstraße
„Unsere Sprachpartnerschaft hat nicht nur mein Sprachwissen, sondern auch mein Selbstvertrauen weiter gestärkt“, sagt Yu. Früher zögerte sie bei Gesprächen, heute traut sie sich, aktiv teilzunehmen — im Job, bei Behördengängen, im Alltag. Stephanie bestätigt: „Man gibt und man bekommt. Es ist keine Einbahnstraße.“ Beide betonen, wie sehr Begegnungen auf Augenhöhe Hemmschwellen abbauen und neue Perspektiven eröffnen.
Yu Wang und Stephanie Gurrieri sind längst mehr als ein Lern-Tandem — sie sind ein vertrautes Duo aus zwei Welten, verbunden durch Neugier, Respekt und sonntägliche Kochabende. Ihre Geschichte ist nur ein Erfolgsbeispiel von vielen, die aus dem Projekt „Sprachpartner*innen“ in 15 Jahren entstanden ist und stellvertretend für gelungene Integration durch Sprachvermittlung steht.
Info
Sprachpartner*innen - Ehrenamt als Beitrag zur Integration
In den Sprachkursen der AWO Düsseldorf lernen Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen die deutsche Sprache. Um den Spracherwerb zu vertiefen, begleiten Ehrenamtliche den Lernprozess als Sprachpartner*innen. Sie treffen sich etwa zwei Stunden pro Woche flexibel nach Absprache mit den Sprachschüler*innen und üben im persönlichen Austausch die deutsche Sprache – sei es bei einem Spaziergang, einer Tasse Kaffee oder durch Gespräche über das Leben in Düsseldorf.
Gesucht werden engagierte Menschen mit Freude am Umgang mit unterschiedlichen Kulturen, guten Deutschkenntnissen, Offenheit für Kommunikation und Empathie.
Interessierte wenden sich an die AWO-Agentur für bürgerschaftliches Engagement, Telefon 0211/60025-172 oder per E-Mail an ehrenamt@awo-duesseldorf.de
Werden Sie Teil des Projektes!
Für Sprachpartner*innen: Teilen Sie Ihre Sprache, Ihren Alltag, Ihre Neugier.
Für Lernende: Gewinnen Sie mehr als Grammatik!