„Wir lassen uns nicht beirren“

AWO-Frühlingsempfang mit 200 Gästen / Gastvortrag von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Redner*innen beim AWO-Frühlingsempfang 2024 (v.l.): Stadtdirektor Burkhard Hintzsche, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Antisemitismusbeauftragte des Landes NRW), AWO-Kreisgeschäftsführerin Marion Warden und AWO-Kreisvorsitzender Manfred Abels. Fotos: Wolfgang Schmalz
Rund 200 Gäste trafen sich im tanzhaus nrw zum AWO-Frühlingsempfang.

 

„Angriffe auf unsere jüdischen Freundinnen und Freunde sind Angriffe auf uns. Es liegt an uns, eine Grenze zu ziehen: Nie wieder ist jetzt.“ Mit diesen Worten eröffnete der AWO-Kreisvorsitzende Manfred Abels den traditionellen Frühlingsempfang des Sozialverbandes. Rund 200 Gäste aus allen Bereichen der Düsseldorfer Stadtgesellschaft hatten sich im tanzhaus nrw zu einem Vormittag der Begegnung und des Austauschs eingefunden. Im Mittelpunkt stand der Gastvortrag von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, der Antisemitismusbeauftragten des Landes NRW. Stadtdirektor Burkhard Hintzsche überbrachte das Grußwort der Landeshauptstadt.

In diesen Zeiten habe man sich entschieden, ein ernstes Thema aufzugreifen, so Abels in seiner Begrüßung. „Die AWO steht seit über 100 Jahren für Solidarität, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit. Lassen Sie uns gemeinsam aufstehen gegen Ausgrenzung, Intoleranz und Demokratiefeindlichkeit!“

Stadtdirektor Burkhard Hintzsche betonte in seinem Grußwort die Bedeutung des Sozialverbandes: „Sie sind der Schalthebel in der Stadt, um soziale Gemeinschaft zu leben.“ Der Rahmenvertrag der Landeshauptstadt mit den Trägern im Sozialbereich habe für Planungssicherheit gesorgt und auch interkommunal große Beachtung gefunden. Bei der heutigen Veranstaltung gehe es aber um größere Zusammenhänge. „Ich bin beschämt, dass der Aufruf für Demokratie, gegen Hass und gegen Antisemitismus angeblich gegen das Neutralitätsgebot von Amts- und Würdenträgern verstößt. Wenn dem so ist, ist das nicht die Gesellschaft, in der ich leben möchte“, erklärte Hintzsche unter dem Beifall der Anwesenden.

Einsatz für eine offene, tolerante und vielfältige Gesellschaft

AWO-Kreisgeschäftsführerin Marion Warden rief den Anwesenden die Bedeutung der Freien Wohlfahrt für den deutschen Sozialstaat, gerade in schwierigen Zeiten, in Erinnerung: „Die freie Wohlfahrt ist kein Selbstzweck, sondern dient wesentlich zur Milderung des sozialen, des alltäglichen Unfriedens im Land und trägt damit zum so wichtigen Erhalt des sozialen Friedens als Voraussetzung für eine starke Demokratie bei.“ Der Einsatz für eine offene, tolerante und vielfältige Gesellschaft gehöre zur AWO-DNA seit ihrer Gründung vor mehr als 100 Jahren. Mit Blick auf das Thema Antisemitismus fügte sie hinzu: „Wir lassen uns nicht beirren, stehen zu unseren Werten von Freiheit, Gleichheit Pluralismus und Demokratie. Wir stehen zu unseren Freundinnen und Freunden, so wie diese auch an unserer Seite sind.“

„Judenhass ist ein Angriff auf die Menschenwürde“

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger brachte es in ihrem anschließenden Gastvortrag auf den Punkt. „Antisemitismus ist kein Randthema. Judenhass ist ein Angriff auf die Menschenwürde“, sagte die Antisemitismusbeauftragte. Das Feindbild verbinde Menschen aus ganz unterschiedlichen Milieus. „Antisemitismus ist kein Thema des prekären Milieus. Nein, er ist in der Mitte unserer Gesellschaft.“

Es handele sich um eine abgrundtiefe, menschenverachtende Einstellung. Leutheusser-Schnarrenberger: „Spätestens seit Adorno wissen wir: Der Antisemitismus braucht keine Juden, er braucht nur eine Meinung über sie.“ Pauschalurteile verböten sich. Vielmehr müsse man sich gezielt mit den Phänomenen auseinandersetzen.

Allein im Jahr 2023 habe es in NRW 475 antisemitische Straftaten gegeben - mehr als eine pro Tag. Leutheusser-Schnarrenberger: „Wir haben eine besondere Verantwortung für ein friedliches Zusammenleben. Das ist auch Staatsräson, und so können wir mehr Menschen erreichen, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen.“

„Keine Neutralität, wenn es um die Würde des Menschen geht“

Im weiteren Verlauf ihres Gastvortrags konzentrierte sich die Antisemitismusbeauftragte auf zwei Bereiche. Da seien zum einen die Hochschulen. „Mich beunruhigt, dass sich das Narrativ in Deutschland dahingehend verändert hat, dass die Hamas einen gerechten Befreiungskampf führt.“ Gerade an den Universitäten mache die aktuelle Diskurskultur oft sprachlos. Leutheusser-Schnarrenberger: „Hochschulen können bei dem Thema nicht neutral sein. Wenn wir die freiheitliche Grundordnung ernst nehmen, dann gibt es keine Neutralität, wenn es um die Würde des Menschen geht. Man kann über Positionen streiten, aber am Ende darf keine Leerstelle bleiben.“

Als weiteren Schwerpunkt nannte sie den Bereich der Kultur. „Ich hätte mir gewünscht, dass am Ende der Berlinale jemand auf die Bühne gegangen wäre und gesagt hätte: ,Das ist Ihre Meinung, aber nicht unsere.‘“ Judenhass, Hetze und das Bedienen einseitiger Verschwörungsattribute hätten in der Kultur nichts zu suchen. Leutheusser-Schnarrenberger: „Es braucht eine aktive Mehrheitsgesellschaft. Antisemitismus ist mehr als die Geschichte des Nationalsozialismus“, schloss sie unter dem stehenden Applaus der Zuhörer.

Kabarett mit Jürgen Becker

Anschließend begeisterte der Kabarettist Jürgen Becker mit Auszügen aus seinem aktuellen Programm "Die Ursache liegt in der Zukunft". Neben aktuellen politischen Themen griff er auch den alten Zwist zwischen den Rheinmetropolen auf. „Köln mit Düsseldorf und Bonn gehören einfach zusammen“, betonte Becker. Wobei Köln natürlich das Zentrum sei. Eine Ansicht, die zumindest an diesem Vormittag unwidersprochen blieb... 

Für die musikalische Unterhaltung des Vormittags sorgte die Band "Le Lampion". Die AWO.DUS GmbH sorgte gemeinsam mit dem inklusiven Startup Downtown Waffles für das kulinarische Wohl der Gäste. Für den Bühnen- und Tischschmuck zeichneten schließlich die Azubis aus dem Bereich Floristik des AWO Berufsbildungszentrums verantwortlich.

 

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